2024 Moldawien
- Geschrieben von: Kriegerpoet
Reiseroute
Deutschland - Tschechien - Slowakei - Ukraine - Republik Moldau - Ukraine (Odessa) - Republik Moldau - Ukraine - Republik Moldau - Rumänien - Ukraine - Slowakei - Tschechien - Deutschland
Außer in der Ukraine, ist in allen bereisten Ländern Maut fällig. In der Ukraine benötigst du für die Einreise eine Reise- oder Auslandskrankenversicherung. Achte dabei darauf, dass deine Versicherung auch für Länder mit Reisewarnungen auf Grund von Krieg und Unruhen gültig ist.
Für die Reiselustigen unter Euch habe ich hier die von mir verwendeten Portale aufgelistet:
Maut Tschechien 13,60€ für 10 Tage: https://www.vintrica.com/de/e-vignette/tschechien/
Maut Slowakei 12€ für 10 Tage (günstiger als Vintrica): https://eznamka.sk/en
Maut Republik Moldau 4,03€ für 10 Tage: https://evinieta.gov.md/
Maut Rumänien 8,64€ für 1Tag: https://www.roviniete.ro/de/
Für die Straßen Moldawiens ist es sinnvoll die guten BF-Goodrich aus der Garage zu holen. Ich freue mich auf wilde Schotterpisten.
1. Tag Deutschland bis Slowakei
Gegen Mittag geht es los Richtung Tschechien ...
... die Überquerung der deutschen, tschechischen und slowakischen Grenze ist wie gewohnt ohne Kontrollen und damit schnell vollzogen. Das wird auf der Rücktour anders aussehen.
Einmal noch in der Slowakei den Tank ordentlich füllen, im nächsten Land könnte doch etwas Knappheit herrschen.
Den einen und anderen Tunnel nehme ich noch bei Nacht mit und komme, nach über 11 Stunden Fahrt, bei meinem vorausgewählten Schlafplatz an einem slowakischen Stausee an, um nach 1.000 km eine Mütze Schlaf zu nehmen ...
2. Tag Slowakei bis Moldawien
... bis mich die Morgendämmerung an einem trüben Tag munter macht.
Frühstück gibts heute gleich mal am See. Die Stille, die sich während der nächtlichen Fahrt in meinem Kopf bei der orchestralen Zusammenkunft der Geländereifen und dem, mit den Solarpanels tanzenden, Fahrtwind breitmachte, findet hier akustische Gesellschaft. Der See liegt ruhig vor den ersten Ausläufern der Karpaten. Zu hören ist hier nichts. So beginnt die Reise schon mit dem, was ihr Ziel sein sollte. Stille !
So sehr mich die Ruhe auch fesselt, zieht es mich doch weiter zum 25 km entfernten ukrainischen Grenzübergang bei Uschgorod, wo ich brav, wie es Sitte ist, am morgendlichen Truckertreffen vorbeituckele, um festzustellen, dass es hier tatsächlich nur für Trucker Sinn macht sich anzustellen. Ein bisschen russischer Smaltalk mit den Fahrern führt mich schnell zum benachbarten Übergang für meine Fahrzeugklasse.
Da bin ich dann auch der Einzige an der Schranke mit Interesse zur Einreise, zumindest auf motorisierte Art und Weise. Zwei Deutsche haben ihr Wohnmobil abgestellt, um einen kleinen Spaziergang durch ukrainisches Gelände zu machen. Na bitte, die Verrückten treffen sich wie immmer an den wildesten Orten der Welt. Der slowakische Kontrollposten ist schnell geschafft, an der EU-Außengrenze ist Ausreisen flott und unkompliziert möglich. Die Irritationen, dass ich aus touristischen Gründen reise nehme ich zur Kenntnis, sie halten mich aber auch nicht auf.
So, das ist neu. Es gibt einen Muttizettel fürs Fahrzeug. Auf den solte ich gut aufpassen, ohne ihn geht es nicht wieder raus aus der ukrainischen Grenzstation.
Nen Stempel gibts noch drauf, nachdem das Auto einmal ordentlich gefilzt wurde. Nach der Passkontrolle ist die Fahrt frei nach Uschgorod. Ich bin in der Ukraine, war doch ganz leicht. Ohne lange Warteschlangen. Merke, reise in Länder wo keiner hin will, dann geht es zügig.
In Uschgorod, nehme ich noch fix an einem BUS-Treffen teil ...
... und verlasse die Stadt ...
... Richtung Lwiw ...
... voller Freude auf die vor mir liegenden ukrainischen Karpaten.
Etwas hinter Chust lockt dieses schöne Flussbett zum Aufenthalt während der Mittagspause ...
... bei herllichem Wetter und glasklarem Wasser ...
... lasse ich es mir nicht nehmen nach dem Essen ein erfrischendes Bad zu genießen ...
... und anschließend noch einen Verdauungsspaziergang ins 2km entfernte Dorf zu machen, um den Einwohnern beizubringen, dass ich mal kurz einen ...
... Radlader bräuchte ...
... der mein Gefährt wieder aus dem Flussbett entfernt, bevor der nächste Regen einsetzt.
Und zack ist vollbracht, was aus eigener Kraft nicht recht gelingen wollte und ein Schnäppchen war es auch noch. 30 Euro haben sich die Helfer gedacht, wären angemessen. Ich gebe ihnen 50 und wir verabschieden uns mit einem мой друг (mein Freund). Was für ein gutes Gefühl, wenn alle mit einem strahlenden Lächeln das Schlachtfeld verlassen. Fazit, wenn die Karre an einem Deich bestehend aus vom Wasser abgerundeten Steinen einmal gemollt hat, brauchst Du definitiv Hilfe. Die gibts übrigens immer und überall. Sich mal festzufahren gehört einfach dazu! Wem es nie passiert der ist entweder nicht genug unterwegs oder nicht mutig genug, was schöne Flussufer angeht.
Weiter geht es nun auf urkrainischer Seite direkt an der Rumänischen Grenze, die mit NATO-Draht gegen Flüchtlinge gesichert ist ...
... immer entlang des Flusses Theiß. Drüben ist Rumänien.
Dann geht es endlich hinein in die Karpaten mit ihren laubwaldbewachsenen Bergkuppen,
die mooskissenartig dazu einladen, sich ...
... in sie hineinzukuscheln.
Alle paar Kilometer wird die Stimmung kurz unterbrochen, denn zum Zwecke der Sicherheit aller, also auch meiner, gibts jede Menge Checkpoints in der Ukraine, so alle 20 km. Hier stoße ich allenortes auf ein paar weltoffene Soldaten, die den Pass und des öfteren auch den Fahrzeuginhalt inspizieren möchten. Alles safe für mich, in diesem Land ist Krieg und es würde mich viel mehr irritieren wenn ich nicht kontrolliert werden würde. Unfreundlich ist trotzdem niemand und ein Gespräch ist wenngleich nicht mit jedem, doch mit den meisten möglich. Es wird geplaudert übers wo kommst Du her, wo willst Du hin, .... Du machst hier Urlaub? Auch okay... Du willst nach Odessa? Auch okay ... Niemand hält mich auf, auch nicht mit Worten. Man ist gut beraten, wenn man ein paar der Fragen auf russisch versteht und auch in selbiger Sprache beantworten kann. Man kommt besser in den Gesprächsfluss. Dann geht es auch mal unelegant mit englisch oder händisch weiter.
Weiter über Schotterpisten ...
Weiter über stählerne Stahlplattenbrücken, die Erinnerungen an Georgien wecken.
Die Route schmiegt sich eng an den Fluss ...
ab und an gesäumt von steilen Felswänden geht es durch die Landschaft.
Ich hangele mich von Checkpoint zu Checkpoint, was die Fahrt zwar sehr verzögert, mir jedoch ermöglicht mit Land und Leuten mehr in Kontakt zu kommen. Fotos der Checkpoints zu machen ist im übrigen immer etwas heikel, man sollte sich besser nicht erwischen lassen.
Die Sonne senkt sich bereits hinab, als ich den Moldawischen Grenzübergang bei Criva erreiche ...
Hier mache ich dann das erste mal Bekanntschaft mit der Korruption innerhalb der ukrainischen Grenzpolizei. Einer Dame von dem Verein gefällt meine german Gartenlimo und sie gibt mir zu verstehen, dass eine Flasche davon ihr gehört. Ich merke an, dass das eventuell nicht ganz legal ist (ich kann meine Klappe ja immer nicht halten) lasse sie dann aber doch noch aussuchen welche Geschmacksrichtung sie gern hätte. Abgeben soll ich die Flasche selbst bei ihrem Kollegen in einem der Kontroll-Container. Ist klar, damit sieht es aus als würde ich ihr die Flasche freiwillig schenken. Was solls, es beschleunigt den Vorgang immens und zack bin ich in Moldawien und kaufe noch fix eine SIM-Karte mit 60 GB Datenvolumen für den Mobile-Hotspot für umgerechnet 4,10€. Die nette junge Dame langweilt sich nachts in der Tankstelle und so kommt ihr mein Tankstopp mit SIM-Kartenkauf gerade recht. Ich nehme noch einen Kaffee dazu und schon sitzen wir beide am Tisch und aktivieren bei einem netten Plausch auf Englisch gemeinsam die Karte.
Einen angenehm ruhigen Schlafplatz finde ich in der Finsternis in dem kleinen Örtchen Lipcani.
3. Tag Moldawien - Lipcani bis Tipova
Dort wache ich am nächsten Morgen auf einem gut geschotterten Plätzchen im Morgenrot auf. Feste Untergründe sind schon was feines. Radlader gäbe es hier aber sicher auch irgendwo. Der See, der mich hier theoretisch umgibt, ist vollständig ausgetrocknet. Wie ich später erfahre leidet auch Moldawien unter Hitze und Trockenheit.
Der Liebe, der aufgehenden Sonne entgegenzufahren, folgend starte ich früh Richtung Edinet. Was mir begegnet ist endlose Weite,
Freiheit,
soweit in die Ferne blicken können, dass ich fast meinen könnte die Erde wäre eine Scheibe.
Straßen, auf denen es mit maximal 85 km/h schnurgeradeaus geht, immer voller Erwartung, dass ein Schlagloch mir guten Morgen sagen wird. Guten Morgen sagt mir irgendwo zwischendurch auch Adriana, die mit dem Daumen nach oben irgendwo in einem der kleinen Dörfchen steht und auf eine Mitfahrgelegenheit zu ihrer Arbeitsstelle im noch 17 km entfernten Edinet hofft. Ich nehme sie mit, etwas Unterhaltung kann ja nicht schaden. Ein bisschen von ihrem gebrochenen Russisch und meinem gebrochenen Russisch läßt die Strecke kurzweilig erscheinen. Englisch wird hier nur wenig und nicht an jeder Schule unterrichtet. Am Ziel angekommen, winkt sie mit einem Geldschein. Und da wird mir wieder klar, wer am wenigsten hat wird immer am meisten geben. Ich lehne es ab und bedanke mich für die unterhaltsame Begleitung. Es fällt Adriana schwer das anzunehmen, sie lächelt dankbar und geht ihrer Wege und ich fahre weiter auf der ул. Индепенденцей (Straße der Unabhängigkeit, die es in jedem größeren Ort gibt), ohne in Edinet zu verweilen. Es ist eine Stadt mit dörflichem Charme, viel los ist hier nicht.
Und noch mehr Weite, die auch erkennen lässt, dass 80% der Fläche Moldawiens landwirtschaftlich genutzt werden.
Die etwas größere Stadt Bălți ist dann weniger dörflich, dafür mit jeder Menge sowjetcharmeversprühender Architektur ausgestattet, was mich auch nicht zum Verweilen bringt. Ich bevorzuge weniger zivilisationsgeprägte Gegenden.
Ein bisschen schlecht asphaltierte Strecke nehme ich noch mit,
bis ich mich doch lieber auf Schotterpisten gemütlich durchs Hinterland bewege.
Hier und da gibts kleine Schafherden mit humanoider Begleitung, die gern eine Fotoerlaubnis erteilt, wenn man nett danach fragt. Die Moldawier haben nichts gegen Fremde.
In dieser Abgeschiedenheit kommt wohl auch selten ein Fremder vorbei. Wer Einsamkeit sucht, findet in diesem Land eine Menge davon.
Außer man betrachtet Schafherden als störende Gesellschaft.
Wasser gibts hier fast überall, in Stauseen. Doch habe ich die Erfahrung machen müssen, dass es sich durch die fortwährende Trockenheit eher um supfig modrige Schlammlöcher handelt. Badestellen sind selten, echte große Flüsse gibt es nur an den Grenzen zu den Nachbarländern und da ist es mit dem Baden schwierig.
Mit dem Müll ist es so eine Sache. Für Kunststoffe gibts solche Sammelbehälter, in den Straßen platziert. Aller übriger Müll, den es hier nicht viel gibt, wird in Form von wilden Müllkippen gemeinschaftlich entsorgt. Herumfliegen tut davon eher weniger, es findet sich immer mal jemand der die Müllkippen anzündet, damit löst sich die Verteilung des Mülls dann in Rauch auf. Vielleicht gar nicht so dumm.
Ich schlängele mich weiter durch die schmalen, von Gladiolen gesäumten Schottergassen eines kleinen Dorfes. Dafür bin ich meiner Routing App "Locus Map" auf jeder Tour dankbar, deren Energiesparmodus-Strecken mich immer wieder durch abgelegene und wunderbare Orte führen. Gladiolen scheinen die Lieblingsblumen der Moldawier zu sein, es gibt hier Unmengen davon in allen Variationen.
Hin und wieder grüßt dann aber auch mal kurz die Zivilisation mit frisch asphaltierten und EU-Beitrittswerbung verzierten Streckenabschnitten. Die Regierung gibt alles, um ihren Landsleuten den Beitritt schmackhaft zu machen. Bleibt zu hoffen, dass dadurch nicht zu viel von der Unberührtheit Moldawiens weichen wird.
200m weiter nehmen die Moldawischen "Highways" dann wieder ihre gewohnte Form an, die Schlaglochjagd geht weiter. Mittlerweile ballere ich lieber mit 70 km/h über Schotterpisten als auf einer Asphaltpiste den Elchtest zu trainieren.
Und da ist einer dieser wunderschön in der Landschaft liegenden Stauseen, die leider nur brackiges Flach-Wasser enthalten. Schön ist es hier allemal und so mache ich erst einmal Mittagspause...
... während einer der allgegenwärtigen Pferdekarren an mir vorrüberzieht. Hinter mir pflügt auf einem Feld ein Traktor den Boden. Der Traktor ist nicht zu hören, aber sehr wohl der in der Fahrerkabine dröhnende Soundgenerator. Das ist Moldawien, vom Traktor hörst Du nur die Lieblings-Mucke des fröhlich winkenden Fahrers. Mein Soundgenerator bleibt wie auf jeder meiner Touren aus. Motor- und Fahrtwindgeräusch sind unterwegs meine besten Freunde. Sie sorgen für Stille und Klarheit in meinem Kopf und damit fokussieren sich auch meine Gedanken auf weniges.
50 km vor der Hauptstadt Chișinău ereiche ich "Orheiul Vechi" , die bedeutendste Sehenswürdigkeit Moldawiens. Hier liegt ein Höhlenkloster, in den Stein gehauen, an einer herrlichen Flussbiegung. Eintritt inklusive Parken bekomme ich per Kartenzahlung für 20 Lei/1 €. Die Moldawier lieben diesen heiligen Ort und so treffe ich hier auf eine doch etwas größere Menschenansammlung.
Hinauf zum Klostereingang und der Kirche "Biserica Sfânta Maria" geht es nur zu Fuß,
was mir, nach der nun doch schon recht langen Fahrt, sehr recht ist.
Oben angekommen, werde ich mit einer wunderbaren Aussicht belohnt.
Hinter mir befindet sich ein Fels, an dem viele vor mir schon einen Zettel oder eine Münze hinterlassen haben. Hier kann ich für mich selbst oder einen mir vertrauten Menschen etwas hinterlassen, um einen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen.
Und so klemme ich einen Euro für meinen Lieblingsmenschen in eine der vielen kleinen Felsspalten, schließe meine Augen für einen wundervollen Gedanken, atme aus ...
Die Kirche ist in bestem Zustand, so wie alle Kirchen in Moldawien.
Von weiter oben habe ich noch einmal einen grandiosen Blick auf den, sich durchs Tal schlängelnden, Fluss Răut.
80m über dem Meerespiegel stehe ich auf Muschelkalk, der wer weiß wie alt ist. Ein wenig anmutig starre ich auf den Boden, dessen Alter ich nicht kenne. Es macht mich irgendwie ehrfürchtig und auch wieder ein Stück dankbarer, dass unser Planet so ist wie er ist.
Ich streife noch etwas durch die Landschaft ...
... bevor mich die endlosen Schotterpisten wieder in ihren Bann ziehen.
Manchmal gehts tatsäch ein bisschen arg schmal-steil-bergab bevor ...
... ich das Kloster Tipova ...
an der moldawisch-transnistrischen Grenze erreiche. Drüben ist Transnistrien, pro-russisches und faktisch von russischen Separatisten kontrolliertes Gebiet mit einer eigenen Regierung. Einen eigenen Pass haben sie auch, mit dem man nirgendwo hinreisen kann, sehr schlau. Das Land ist allerdings rein theoretisch moldawisches Staatsgebiet, ein schmaler Streifen zwischen Moldawien und der Urkraine. Zum Kloster hinab komme ich erstmal nicht, eine mysteriöse Dame sitzt auf halbem Wege die Stufen hinunter und möchte 10 Lei/0,50€ von mir haben, die ich in bar nicht dabei habe. Euro will sie nicht haben, auch nicht das 10-fache.....! Ich beschließe umzukehren und wieder zu kommen, wenn sie sich in der Dämmerung bei der Einsamkeit hier in die Hose macht und das Weite gesucht hat.
Ich gehe erst einmal eine schöne Wanderung im Grenzgebiet machen, hier soll es tolle Wasserfälle geben.
Über schmale Pfade geht es an sattgrünen Hängen entlang durch feuchtes Unterholz. Andere Wanderer begegenen mir nur wenige und wenn dann in der Gegenrichtung. Prima, noch mehr Einsamkeit.
Hier gibt es die wohl schönsten und saftigsten Täler Moldawiens ...
... bei herrlichster Abendsonne.
Und dann erreiche ich tatsächlich den kleinesten Wasserfall Moldawiens. Kleiner Scherz, aber niedlich ist er schon irgendwie.
Hier mal ein etwas größeres Exemplar. Die Luft in diesem Tal ist so feucht, dass es ständig, wie im Regenwald, von den Bäumen tropft.
Da ist er, der tatsächlich größte Wasserfall Moldawiens, paasend zur Größe des Landes fällt hier das Wasser 16m in die Tiefe, zugegeben nicht spektakulär. Die Natur ist es hier aber umso mehr.
Vom wasserreichen Tal steige ich erst einmal hinauf auf einen der umliegenden Gipfel, die jedoch nicht die höchsten des Landes sind.
Was für eine Aussicht in Richtung Transnistrien.
Und es geht für mich wieder hinab in ein weiteres Tal mit unzähligen Wasserfällen.
... auch hier gilt, das Wasser ist weder zum Trinken noch zum Baden geeignet. Es ist eher so etwas wie eine leicht erdige geruchsfreie Brühe. Die Luft in den Tälern ist wunderbar frisch und klar.
Immer wieder liegen Camp-Sites mit Feuerstellen direkt am Pfad, wo es dann auch Quellen und kleine Brunnen mit Trinkwasser gibt, das vorzüglich schmeckt und verträglich ist. Wer also vor den Toren Transnistriens einmal nächtigen möchte, dem bieten sich hier wunderbare Plätze in freier Natur und es ist völlig legal sich hier niederzulassen.
Es geht, bei langsam hinter den Hügeln verschwindender Sonne, zurück Richtung Kloster. Die Dämmerung erzeugt hier noch einmal eine besondere Stimmung. Wenn die Natur verstummt, wird es irgendwie stiller als still. Es entsteht ein Gefühl mit der Natur eins zu werden.
HIer, wo sich das Land in Moldawien und Transnistrien teilt, teilt sich heute Abned auch der Himmel, was irgendwie Gänshaut macht, wenn Du hier stehst und der Wind Dir um die Nase weht.
Vorbei an der zum Kloster gehörenden Kirche geht es in der Abenddämmerung hinab zum Höhlenkloster.
Und ich kann sagen, dass ich der Dame dankbar bin. Noch vor ein paar Stunden, als sie mich hier nicht weitergehen lassen hat, war die Stimmung wohl nicht so wunderbar wie jetzt. Ich bin ganz allein mit den immer wieder wundervollen Blicken auf den Grenzfluss Dnjestr, der faktisch gar kein Grenzfluss ist... Wer etwas mehr dazu lesen möchte, findet beim auswärtigen Amt eine kurze Zusammenfassung zum Transnistrien-Konflikt.
Das Kloster zeigt sich verlassen, von Touristen und ehemaligen Eremiten. Also auch hier Stille. So kann ich alles sehr gut auf mich wirken lassen.
Als ich wieder oben angekommen bin, ist es fast schon Nacht über Transnistrien ...
... und Moldawien. Still ist es nur hier am moldawischen Ufer, drüben in Transnistrien ist es laut, die Menschen feiern, unzählige Hunde kläffen. Es wirkt ein wenig skuril, dass ich Ihnen beim Reden zuhören kann. So klar ist hier die Nacht, dass der Fluss, als Grenze fungierend, das Leben dort drüben doch nicht fern halten kann, von dem Land zu dem der schmale Streifen mit seinen rund 500.000 Bewohnern eigentlich gehört. Es wird dort aber auch irgendwann still.
3. Tag Moldawien bis Urkraine
Bis mich morgens, bei herrlichem Sonnenaufgang über Transnistrien, die unzähligen Hunde und noch unzähligere Hähne mit Ihrem Morgengesang begrüßen. Deshalb bin ich hier geblieben, das war einer der schönsten Sonnenaufgänge der gesamten Tour und es war gut, dass ich meiner Sehnsucht, noch am Abend weiterzuziehen, nicht gefolgt bin.
Hier ist definitiv der schönste Ort Moldawiens, zum Ankommen, zum Verweilen, zum Wandern und zum Übernachtbleiben.
Die Klosterkirche zeigt sich im Licht der Morgensonne noch einmal anders.
Ich nehme Abschied von diesem herrlichen Fleckchen Erde, um Richtung Hauptsatdt weiter nach Südwesten zu fahren.
Solche neuen, gut ausgebauten Fernstraßen erlebe ich nur als ich in Richtung Chișinău fahre und der Stadt schon recht nahe gekommen bin ...
... und auch dann hält die Vierspurigkeit nicht lange an, was kurz vor Eintreffen in der Hauptstadt für einen ordentlichen morgendlichen Stau sorgt und mir sofort die Motivation nimmt, mich gedanklich weiter damit zu befassen, bis ins Stadtzentrum zu fahren. Städte sind für mich ohnehin weniger interessant, zumal die sowjetcharmerfüllten Blockbauten, die aus der Ferne zu erspähen sind, erahnen lassen was mich dort erwarten würde. Irgendwo kurz vor den Toren der Stadt biege ich aus dem Stau heraus rechts ab, fahre durch ein endloses Industriegebiet, um dann ...
... endlich wieder auf Schotterpisten fahrend ...
... einen See zu erreichen, der mit klarem Wasser gefüllt ist.
Die Freude ist groß, ein mehr als knöcheltiefes Gewässer in dem ich endlich mal ein Bad nehmen kann, das gibt es hier in Moldawien tatsächlich auch.
Hier mache ich das erste mal Bekanntschaft mit der wohlriechenden schmalblättrigen Ölweide, die von Bienen offenbar sehr geliebt wird. Diese Pause tut mir wirklich gut, nach der nun doch schon recht langen Strecke die hinter mir liegt.
Auf dem weiteren Weg zum größten Weinkeller der Welt (ja der liegt tatsächlich in Moldawien) schramme ich doch noch einmal westlich an der Hauptstadt vorbei.
Nun bin ich gespannt, ob ich tatsächlich mit dem Auto durch dieses 250 km Tunnel umfassende Weinlager fahren kann.
Mich erwartet ein sehr gepflegtes Anwesen ...
... mit Brunnen, in denen früher tatsächlich Wein floss (heute farbiges Wasser)
Letzmalig ging es hier vor 5 Jahren mit dem eigenen Auto ins Tunnelsystem hinein, heute werde ich mit einer modernen Touristenbimmelbahn für 350Lei/15 € hineinbefördert und bekomme noch dazu einen englischsprachigen Vortrag.
Ersteinmal geht es tief in den Berg, bis ich 35 m Gestein über mir habe und die Bimmelbahn das erste mal ...
... bei diesen riesigen Fässern stoppt.
Solz sind sie schon, die Moldawier, auf ihren staalich geführten größten Weinkeller, ...
... mit "Weinfall" , der heute ebenfalls mit Wasser betrieben wird.
Dann geht es in die Schatzkammer.
Hier lagern 1,5 Millionen Flaschen Wein ...
... in 55km Tunnelsystem, ganzjährig bei 14 °C.
Der Guide rät uns immer hübsch in seiner Nähe zu bleiben, alleine würden wir hier nicht wieder hinaus finden, wenn wir uns verlaufen.
Naja, verdursten würde erstmal keiner.
Die teuerste, hier lagernde Flasche lässt sich für 1.800 Euro erwerben. Dafür wird sie, wie alle verkauften Flaschen auch, noch mal hübsch gesäubert, mit frischem Wachs um den Korken versehen und nett verpackt.
Hinter dieser steinernen Flaschenregal-Schiebetür lagern die edelsten (nicht teuersten) Tropfen sicher verwahrt.
Alles wirkt ein bisschen mystisch, steinerne Schiebetüren gibts noch mehr, wie hier am Eingang zur Weinverkostung.
Wer mag kann auf Vorbestellung hinter dieser Weinfass-Drehtür gleich noch speisen und die edlen Tropfen dazu genießen. Wer nicht verkosten kann oder möchte, bekommt eine Flasche im Wert von ca. 5 Euro zum Mitnehmen geschenkt.
Hinaus geht es dann wieder mit der Bimmelbahn, mit maximaler Schotterpistengeschwindigkeit vorbei an unzähligen Weinfässern zum Ausgang durch den Weinladen. Das haben die Moldawier auch verstanden, wer geht nimmt sich gern was mit. So auch ich. Die geschenkte Flasche Wein lasse ich hier und erwerbe zwei von den besten, die hier im Laden verkaufsfertig frischgemacht zu finden sind. Nun fragt sich mancher ob er sich hier schön eindecken kann für den heimischen Weinkeller. Mitnichten, über die moldawische Grenze kommt man nur mit maximal 2 Flaschen Wein (maximal 2 Liter, für drei Flaschen muss man vielleicht ein bisschen rumheulen an der Grenze) und maximal 5 Flaschen Bier. Deshalb lasse ich die geschenkte Flasche lieber hier, an der Grenze kann ich mir sicher nicht aussuchen welche der drei Flaschen ich abgeben möchte. Das gönne ich den Grenz-Polizisten heute an der nächsten Grenze nicht, vor allem nicht den urkrainischen. Dazu gibts später noch ein paar spannende Anekdoten.
Zunächst geht es auf Schotterpisten an Stauseen vorbei ...
... über schlecht asphaltierte Pisten durch Wallnuss-Alleen. Tatsächlich sind Wallnussbäume hier die häufigsten Alleebäume.
Und weil es offenbar noch nicht genug ist, gibt es auch noch Wallnuss-Plantagen, die ich mit Genehmigung des Eigentümers für meine Mittagspause nutzen darf.
Ein letzter Tankstopp noch in Moldawien, für rund 20 Lei/Liter was in etwa einem Euro entspricht.
Dann gehts rüber in die Ukraine, auf nach Odessa und wer jetzt glaubt seine Augen würden ihn belügen ... da steht wirklich Odessa.
Dann stehe ich in Odessa. Direkt am schwarzen Meer, am Denkmal für den unbekannten Seemann.
Hier wirkt es friedlich, bunte Blumenbeete, eine Maler steht einige Stufen hinab und hält den Moment auf Papier fest, die Sonne scheint, die Menschen gehen spazieren.
Als ich am Denkmal rechts abbiege, erinnern Fotografierverbote Richtung Getreidehafen daran, dass es hier nicht immer so friedlich ist.
Dennoch tobt das normale Leben in den herrlichen grünen Parks der Stadt, Kinder lachen laut, fahren Roller und Skateboard. Die Stadt lebt ihr Leben weiter, muss sie wohl auch.
Denkmäler haben sie viele, die Ukrainer. Wie die Triumpsäule zur Erinnerung des Besuches Alexander des II. im Jahr 1875.
Ebenfalls im Schewtschenko-Park, das Taras-Schewtschenko-Denkmal. Und weil hier irgendwie überall alles so normal wirkt ...
... setze ich mich mal ganz normal ins Restaurant und speise gemütlich ...
... direkt gegenüber des ukrainischen Justizministeriums.
Anschließend noch ein schöner abendlicher Bummel durchs Stadtzentrum.
Und dann errinnert genau an diesem Ort der einsetzende Luftalarm daran, dass es nicht immer so friedlich ist. Es ist Krieg, auch in dieser Stadt. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, niemand flüchtet in irgendeinen Luftschutzbunker. Es ist als würden sie es gar nicht zur Kenntnis nehmen. Ich bin etwas irritiert und frage einen Passanten, ob das ein echter Luftalarm sei oder nur ein Probealarm. Die trockene Antwort bestätigt, hier ist alles echt auch das Ignorieren des Luftalarms.
Ich mache es wie die Odessiten und spaziere gemütlich mit akustischer Untermalung der Sirene durch die schönsten Parks der Stadt ...
... hier und da erhasche ich dabei auch einen Blick aufs schwarze Meer.
Auch am zerbombten Hafenterminal, wo die Menschen auf der potemkinschen Treppe einfach nur dasitzen, es anstarren und den Luftalam ignorierend so eine Art Mahnwache halten, als wollten sie sagen: "Wir werden uns hier nicht vertreiben lassen, niemals!" Ich setze mich schweigend dazu, nehme die Stimmung auf und stelle fest, irgendwie haben sie recht, warum sollten sie sich auch wegbewegen. Das ist ihr Land und ihre Stadt. Wenn keiner bleibt, wird es nicht mehr lange so sein.
Hinter mir steht das Denkmal des 1803 zum Statthalter von Odessa ernannten Armand Emmanuel Sophie Septemanie du Plessis. Es ist mit Sandsäcken vor der Zerstörung durch russische Angriffe auf den Hafen geschützt. Wieder bemerke ich, hier ist Krieg, zumindest immer mal wieder.
Dann wieder Frieden auf den Promenaden am Wasser ...
... in den Straßen singen ein paar junge Leute, während sich andere in den Armen liegen. Sie sind draußen, verstecken sich nicht, wollen frei sein und sind es irgendwie auch. Die Stimmung ist heiter, nicht getrübt von Gedanken an Krieg.
Und wieder ein bisschen Krieg, die Statuen des Katharinendenmals wurden entfernt und stattdessen unzählige ukrainische Fahnen angebracht. Alles was russischen Ursprungs ist muss weichen, auch vor einer Kaiserin wird da nicht Halt gemacht.
Und wieder ein bisschen Frieden, bunt ist die Stadt an vielen Orten ...
Und wieder ein bisschen Krieg, für den Ernstfall stehen hier überall Notstromaggregate.
Jedes Restaurant hat quasi eine eigene Notstromversorgung.
Manches Aggregat fügt sich stilistisch in seine Umgebung ein.
Das Licht machen die Odessiten hier nachts nicht aus, um sich zu verstecken. Die Stadt ist ein wunderbares Lichtermeer am Schwarzen Meer.
So langsam begebe ich mich wieder in Richtung Auto.
Ab 00:00 Uhr ist Ausgangssperre ...
... und ich habe beschlossen die Stadt doch noch vorher zu verlassen.
Im Hafen wird Getreide verladen.
Ich fahre bei wenig Verkehr raus aus der Stadt, um mir weiter draußen an der Küste ein Plätzchen für die Nacht zu suchen. Nun kommt ne Menge Text, Fotos habe ich ab hier erstmal nicht mehr gemacht, was eine gute Idee war. Dazu später mehr.
Ich fahre meine geplante Strecke Richtung Küste, bis ich bei Oleksandrivka vor einem offenbar nach einer Zerstörung neu errichteten Bahndamm stehe und feststellen muss, die Straße über die Gleise wurde nicht neu errichtet, sie endet hier einfach. So ist das eben im Krieg, nur das nötigste wird wiederhergestellt. Also gut, dann plane ich meine Route fix um und schaffe es noch vor Beginn der Ausgangssperre bis zur Landzunge am Schwarzen Meer bei Zatoka zu sein. Hier sieht auf der Karte alles nach Strand aus und da finde ich sicher einen schönen Platz, hab ich gedacht. Ich fahre durch die schmalen Straßen des Küstenortes und denke mir, hier ist es ganz schön still. Naja, es ist kurz vor der Sperrstunde. Plötzlich öffnet sich vor mir ein Stahltor, zwei Soldaten in Vollausstattung mit Helm, Gewehr und anständig vermummt bewegen sich auf mich zu... Mein erster Gedanke, so richtig nach gemütlichem Schlafplatz wirkt das jetzt aber nicht. Ihre Gewehre zeigen Richtung Boden, was ein bisschen beruhigend ist. Sie fragen mich in ruhiger Tonlage was ich hier möchte und erklären mir, dass gleich die Aussgangssperre beginnt. Ich antworte Tourismus, dass mir das mit der Ausgangssperre bewusst ist und ich hier irgendwo im Auto übernachten wollte, was die beiden jetzt erstmal nicht abartig finden. Ich im übrigen auch nicht, es gab nirgends ein Schild was mich davon hätte abhalten können hier her zu fahren. Naja, also dann erstmal Passkontrolle, Autokontrolle, Handykontrolle (Fotos, E-Mails, alles). Hätte ich an ihrer Stelle auch so gemacht, es ist Krieg und ich könnte ja auch ein Spion sein. Die Jungs machen einen guten Job. Dass ich schon eine Weile keine Fotos mehr gemacht hatte, war genau an dieser Stelle sicher von Vorteil. Die beiden waren die ganze Zeit ruhig und besonnen, Streß will hier niemand ohne Grund. Und wer es auch mal wagen möchte hier her zu fahren, dem gebe ich einen Rat. Wenn Du nachts mit Soldaten zu tun hast, kündige immer an, was Du als nächstes tun möchtest. Sowas wie: "Ich greife jetzt nach unten, um meinen Pass zu zeigen." oder "Ich steige jetzt aus dem Auto aus." beruhigt die Jungs ungemein und sie verstehen damit auch, dass man sich kooperativ zeigen möchte. Also niemals etwas tun, ohne es anzukündigen. Die Unterhaltung läuft für meinen Geschmack sehr entspannt ab. Die beiden sprechen kurz miteinander und sagen mir dann, sie würden mich an einen halbwegs sichern Ort für die Nacht bringen. Das gefällt mir, da bin ich dabei. Sie steigen in eine klapprige Buchanka und lotsen mich 200m bis zu einer verlassenen Tankstelle, dort darf ich mich unters Dach stellen und bis zum nächsten Tag 5 Uhr bleiben, kein Licht anmachen, das Auto nicht verlassen auch nicht wenn die Blase drückt. Ein bisschen ernst wirken die beiden jetzt schon beim Gute Nacht sagen. Okay, wir verabschieden uns, ich bedanke mich für ihre Hilfe. Die Buchanka tuckert mit ihnen davon. Ich krauche ins Auto, in den Schlafsack, checke meine Dokumente und stelle fest, verdammt der Führerschein fehlt. Mhh, gut. Also die letzte halbe Stunde noch mal rekapitulieren. Ah ja, der Führerschein steckte wohl noch im Pass, bei der Kontrolle wird er sicher einfach herausgefallen sein. Dann liegt er ja morgen früh noch genau dort wo die beiden mich aufgegriffen haben. Prima, erstmal gute Nacht.
4. Tag Ukraine bis Moldawien
Bis gegen 1:30 Uhr der Luftalarm ertönt, es donnert und grollt gewaltig aus dem 30km entfernten unter Bechuss stehenden Odessa. Irgendwo zwischen den Häusern ca. 500m hinter mir knattert die Luftabwehr. Da ist mir klar, Odessa wird angegriffen. Die Einschläge sind auch hier noch enorm laut zu hören. Angst verspüre ich nicht, auch wenn ich gerade mittendrin statt nur dabei bin. Mittlerweile habe ich mit so vielen ukrainischen Soldaten Kontakt gehabt und weiß, es ist immer noch eine Armee die größtenteils aus Freiwilligen besteht, die voll und ganz hinter ihrem Land stehen und deshalb auch ihr bestes geben. Ich verlasse mich also auf sie. Gegen 4:30 Uhr endet der Luftalarm, es wird wieder still, wie zuvor.
5:00 Uhr, Zeit für einen Fußmarsch Richtung Führerschein, ohne den ich keinen einzigen moldawischen Grenzübergang passieren kann. Jetzt, bei Tageslicht sehe ich, wo ich hier eigentlich genächtigt habe. Ich laufe durch einen Geisterort, was noch steht ist mit Brettern verbarrikadiert, um Plünderer fernzuhalten. Was nicht mehr steht sind Hotels, Wohnhäuser, Gärten und Pools, die durch Bombenkrater ersetzt wurden, in denen jetzt Frösche quaken. Irgendwo zwischen den Häusern hat sich das Militär verschanzt. Ich warte eigentlich jeden Moment darauf wieder von Soldaten aufgegriffen zu werden, bevor ich bei meinem Führerschein angekommen bin, der dann tatsächlich dort liegt wo ich ihn vermutet habe. Das Auto bei der Tankstelle stehen zu lassen, war eine gute Idee. Ich komme unbemerkt wieder dort hin zurück. Im Kopf fühle ich mich, nachdem was ich gerade gesehen habe, irgendwie anders, traurig, verstört, sauer. Ich schwinge mich auf den Sitz, rolle wieder Richtung Odessa, obwohl ich das Gefühl habe hier gar nicht weg zu wollen. Die ursprünglich geplante Route haben mir die beiden gestern Nacht noch ausgeredet und mir eine andere empfohlen. Dann laufen mir die Tränen, als ich noch mehr von der Zerstörung sehe. Fast niemand wohnt hier mehr, ein paar wenige sind geblieben, haben ihren Rasen vor dem Haus gemäht. Am Strand sind überall Stellungen der Ukrainer zu sehen. Krieg ist Scheiße, wenngleich menschheitsgeschichtlich offenbar immer wiederkehrend und vielleicht auch notwendig. Es klingt verrückt, ohne Krieg kein Frieden, das wird wohl immer so bleiben.
Zumindest geht hier für alle jeden Tag die Sonne wieder auf, die Menschen machen weiter, leben weiter, irgendwie.
Ich fahre, verarbeite was ich gesehen habe, blicke zurück auf den Ort, wo ich die Nacht verbracht habe. Friedlich wirkt es aus der Ferne, still so wie es jetzt und für lange Zeit dort sein wird. Still, verlassen, zerstört. Naja, den Fröschen gefällt es dort ...
Irgendwann habe ich dann doch wieder Appetit auf ein Frühstück, ich rieche am Kaffee und spüre, dass sich etwas in mir verändert hat. Das alles real gesehen, gehört und miterlebt zu haben macht einen anders im Kopf.
Ich passiere noch einen letzten verlassenen Checkpoint Richtung ukrainische Grenze, es wird aber gleich noch mal etwas spannender.
Ein kleines urkrainisch-moldawisch-ukrainisches Grenzspezial liegt noch auf der Strecke. Wo ich gestern bei Palanca in die Ukraine eingereist bin, verläuft die Odessa-Reni Transitstrecke. Sie führt von der Ukraine kurz durch Moldawien und wieder in die Ukraine Richtung der Stadt Reni nahe dem Donaudelta. Hier fahre ich ohne Aus- und Einreisestempel in meinen Pass einmal kurz durch Moldawien, um in den südlichsten Zipfel der Ukraine zu gelangen.
Ganz modern wird alles nach einer gründlichen Kontrolle auf dieser elektronischen Registrierungskarte erfasst, damit komme ich dann am Ende der Transitstrecke wieder flott ohne sonstige Kontrolle in die Ukraine. Hier zeigt sich, wie gut die Kooperation zwischen zwei Staaten funktionieren kann, wenn einer auf den anderen angewiesen ist. Die einzige Alternativroute ist nämlich jene, die über Zatoka führt, wo ich die Nacht verbracht habe und einem das Militär die Durchfahrt aus gutem Grund verweigert.
Wer diese Karte nicht hat, dem bleibt nur, die einzige Ausfahrt auf der Transitstrecke am Moldawischen Grenzübergang Palanca zu nehmen und offiziell nach Moldawien einzureisen. Es ist also alles bestens organisiert. Auf der Transitstrecke ist Anhalten und Parken verboten. Das Verlassen der Strecke mit einem Fahrzeug ist technisch unmöglich, zu Fuß probiert man es lieber nicht, es wird alles von ukrainischem Grenzpersonal über- und bewacht.
Wieder auf ukrainischem Territorium angekommen, richte ich meinen Blick ein letztes mal in Richtung meines Übernachtungsplatzes unter dem Tankstellendach an der Schwarzmeerküste ...
... und endecke diesen, in ukrainischen Nationalfarben blühenden Lein. Es ist als würde sich die Natur mit mir in dem Wunsch nach Frieden für dieses Land verbinden wollen, was ihr auch gelingt.
Für mich geht es weiter Richtung moldawische Grenze. Ursprünglich hatte ich vor, den Grenzübergang bei Giurgiulesti an der Donau im Dreiländereck Rumänien - Moldawien - Ukraine zu nehmen. Meine Routing App hat zwischendurch aber eine andere (nicht bessere) Idee. So geht es schon etwas früher auf die Strecke zur Grenze bei Vulcănești. Die Piste ist richtig übel. Der prozentuale Anteil der Lochfläche ist deutlich höher als der Anteil mit Bröselasphalt. Das ist definitiv die schlechteste Straße der gesamten Reise, wer sie meiden kann sollte es tun, auch aus anderen Gründen...
Ich frage mich schon geraume Zeit, warum auf so einer miesen Straße, auf der man nicht vernünftig vorankommt, so unglaublich viel Verkehr ist. Naja, das klärt sich noch auf.
Dann passiert, wovon ich schon so oft gelesen hatte. Hinter einer 90-Gradkurve taucht urplötzlich, mitten im Nirgendwo, ein Checkpoint auf. Die Soldaten und Polizisten sind ungewöhnlich schwer ausgerüstet mit Waffen und Schutzbekleidung. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl, zu Recht. Ich werde von einem der Polizisten noch vor der Passkontrolle direkt zur Seite gelotst und sofort grimmig angeschaut, ebenso grimmig schaut er dann kurz in meinen Pass. Dann räuspert er etwas auf ukrainisch bezüglich Alkoholkontrolle in seinen nicht vorhanden Bart. Ah ja, denke ich mir, jetzt gehts gleich gut los. Ich räuspere ein russisches Да (Ja) zurück, ich habe nichts getrunken also was solls. Ich soll ihm folgen, was mir so schnell, wie er verschwunden ist gar nicht gelingen kann. Er ist inzwischen in seinem Betonwachhäuschen, vermutlich, um am Atemalkoholtestgerät ein bisschen rumzufummeln. In der Ukraine gelten 0,00 Promille und fiese Geldstrafen. Er kommt also wieder heraus, um mich dann mit hineinzunehmen. Einmal darf ich noch kurz in die Bodycam seines Kollegen lächeln, dann wird gepustet und zack 0,24 vollkommen unerwartet natürlich. Die beiden nicken sich siegessicher an. Ich mache sofort klar, dass das Gerät defekt sein muss, richte einen scharfen Blick auf den Bodycam-Kollegen, dessen Gesicht sich in so eine Art Ertapptheitsmimik verwandelt, woraufhin er sich kommentarlos verzieht. Nun bin ich mit Mr. Supercop alleine in einem 2x2m Raum mit einem Feldbett, von dem die Farbe abblättert und einem Stuhl auf dem er sitzt. Ich bevorzuge es stehen zu bleiben. Er schließt die Tür, es soll also keiner zuhören können. Er lässt mich nochmal pusten, wieder 0,24 was für ein Zufall. Dann labert er fortwährend etwas von Protokoll, was ich beharrlich mit einem Нет (Nein) ablehne. Er wird etwas ungehalten, das Gespräch verläuft nicht ganz nach seinem Plan, ich knicke nicht ein. Ich gebe ihm zu verstehen, dass die Unterhaltung nur weiter geht, wenn er sein Handy zur Übersetzung ins Englische nutzt. Er stimmt zu und fragt mich, ob ich nicht vielleicht doch irgendwelche Pillen genommen habe. Ich frage zurück, ob er ernsthaft glaubt, dass sein Alkoholtester Drogen in Form von Promille anzeigen kann. Jetzt wird er nachdenklich. Mir reicht es im Grunde schon eine ganze Weile. Ich frage was er nun gedenkt zu tun. Er will mein Auto und meine Papiere für einen Tag einkassieren und dann kann ich morgen wiederkommen, nochmal pusten und wenn ich nüchtern bin, lässt er mich weiterfahren. Ein Strafmandat würde er jetzt sofort ausstellen. Ein bisschen fängt er an zu nerven mit seinem Protokoll, das behalte ich aber ausnahmsweise mal für mich, was mir zugegebener Maßen recht schwer fällt. Ich sage ihm, dass er weder mein Auto noch meine Papiere bekommt und folge den Ratschlägen des auswärtigen Amtes in solchen Fällen. Ich stelle ihm meine erste Option für sein Problem vor. Ich verlange seinen Vorgestzten, einen amtlichen Dolmetscher, einen Bluttest und ein zweites Atemtestgerät. Das alles kann und will er nicht beschaffen und er ist hier der Chef. Schon klar denke ich mir, Du bist hier der Chef, deshalb sitzt Du hier in der Pampa und gehst mit Deiner Korruption den Leuten auf den Zeiger, auch das spreche ich ausnahmsweise nicht aus. Dem Vorschlag zu einer anderen Polizeistation zu fahren, möchte er auch nicht folgen. Also erkläre ich ihm seine zweite Option, bei der ich ein Foto, so wie er auch eins von mir gemacht hat, von ihm machen werde und den Fall als Korruption zur Anzeige bringe. Sein Gesicht entgleist kurz, der Zug findet sich aber zurück auf die Schienen und sein Gehirn beginnt zu rattern. Er hat verstanden, dass das kein Spaß war. Bliebe noch Option drei, er läßt mich einfach gehen und wir vergessen ganz schnell was hier gerade passiert. Er schaut emotionslos, ich lächle mit einer Mundhälfte, die andere gleicht sich seiner Emotionslosigkeit an. Er quält sich ein идти (geh) heraus, ich bedanke mich und gehe mit dem englischen Hinweis, dass genau diese Korruption der Grund ist, warum die Ukraine nicht in der EU ist. Das versteht er auch auf Englisch ... Ich denke er weiß was ich meine, ob sich was ändert weiß ich nicht. Er macht ja auch nur bei einem großen Spiel mit. Ein paar Euro, in seine Hand gedrückt, hätten die Sache sicher verkürzt, mir war aber nicht danach den Korruptionstopf zu füllen. Eine Flasche german Gartenlimo ist okay, aber Bares werde ich nicht rausrücken. Die 2 Flaschen Wein und das ukrainische Bier hat er mir auch gelassen, da habe ich gleich zu Beginn der heiteren halben Stunde klargestellt, dass ich die nicht hergebe.
Geschafft, die Soldaten kontrollieren mich gar nicht erst, ich werde einfach durchgewunken.
Die Piste bleibt schlecht und zu meiner Überraschung taucht alsbald so eine Art Grenzkontrollstation auf einem Hügel gelegen auf, die Freude ist groß bis ich merke, hier gibt es nur ukrainisches Personal, von dem insgesamt 3 Leute mein Auto filzen und alles fotografieren. Der dritte fragt mich schließlich, ob ich ein Messer dabei habe, was er natürlich längst gesehen hat, weil ich es immer sichbar hinlege, damit es keinen Stress gibt. Ich drücke es ihm in die Hand, seine Augen beginnen zu leuchten, es gefällt ihm. Mit seinem Präzisionsblick stellt er sofort fest, dass die Klinge einen Milimeter zu dick ist und er es leider einkassieren muss und ob ich dafür ein Protokoll bräuchte. PROTOKOLL, er hat das Wort gesagt von dem ich hoffte es nicht wieder hören zu müssen. Allein die Frage ist schon korrupt. Ich verneine und sage, dass ich es ihm schenke und schon ist es in seiner Hosentasche verschwunden. Anmerkung der Redaktion, ich reise gerade aus der Ukraine aus. Das Messer ist für die Ukraine faktisch keine Gefahr mehr und deshalb ist es auch sinnfrei, es mir abzunehmen. Zumal es bereits unzählige Grenzen und Checkpoints hinter sich hat und niemals als Gefahr eingestuft wurde.
Zum kröhnenden Abschluss, darf ich noch zu einem Was-Weiß-Ich-Polizeiinspektor, der nochmal meinen Pass anschaut und mir nen Stempel reindrückt. Er steht die ganze Zeit vor der Baracke in der Sonne. Als ich auf ihn zugehe verschränkt er griesgrämig seine Arme und schiebt seinen trägen Körper in sein Büro, dann seinen dickbäuchigen Körper zwischen Tisch und Stuhl, um mich beim Hereinkommen mit ebenso verschränkten Armen und bösem Blick zu empfangen. Alles wirkt wie in einem schlecht gemachten Krimi und er fühlt sich glaube ich auch so. Den Pass gemütlich Seite für Seite begutachtend, fragt er wo ich herkomme. Ich antworte trocken, aus Odessa. Dann folgt eine Lektion ukrainische Vokabellehre von ihm, indem er mir die Unterschiede zwischen russisch und urkrainisch erklärt, immer hinzufügend, dass er Russisch nicht gerne hört, Russisch ist böse. Irgendwann rückt er meinen Pass wieder raus und wünscht mir eine gute Reise.
Ein paar hundert Meter weiter, außerhalb der ukrainischen Umzäunung, wartet auf mich die moldawische Grenzstation mit lachenden und freundlichen Menschen. Der Stationsvorsteher ist ein gebildeter Mensch, der sich gern in feinstem Englisch mit mir über Luther, die Reformation und Pollitik unterhält, während er sich ein bisschen in meinem Auto umschaut. Ich erzähle ihm, was ich gerade alles erlebt habe und er erzählt mir schmunzelnd, dass ich auf einer Schmugglerroute unterwegs war. Ich lächle zurück, mir an den Kopf greifend. Alles klar, so hat es sich auch angefühlt.
Ich bekomme noch eine grobe Wegbeschreibung zum Beleu-See und den Stempel in den Pass. Dann verabschieden wir uns per Handschlag. Auch so kann es an der Grenze sein, das macht den Unterschied aus, Moldawien ist EU-Beitrittskandidat. Man kann seinen Job auch vernünftig machen, ohne rumzustänkern und zu drangsalieren.
Ich fahre auf einer der moldawischen schnurgeraden Straßen, und spüre wieder in einer Freiheit zu sein, die in den letzten Stunden in der Ukraine nicht allenortes gegeben war.
Und dann liegt er vor mir der Lacul Beleu, der größte natürliche See Moldawiens, ...
... eingebettet in das Reservat "Prutul de Jos"
Mit dem Auto darf ich trotzdem hineinfahren in die weite Ebene,
die direkt an der rumänischen Grenze liegt. Zum Mittagessen sitze ich bei 32°C lieber im Schatten ...
und beobate die freilaufenden Pferde.
Der See ist ein endlos erscheinendes Paradies für unzählige Vogelarten,
doch auch hier hat die Hitze den Wasserspiegel schon deutlich abgesenkt.
Die Suche nach einem Blick von weiter oben auf den See und das Reservat ist etwas abenteuerlich, aber dennoch erfolgreich.
Drüben ist Rumänien.
Auf dem Weg zu meinem nächsten Ziel, dem höchten Berg Moldawiens, kaufe ich noch schnell eine Flasche moldawisches Bier. Ich kenne da jemanden, der sich riesig darüber freuen wird.
Weiter geht es entlang der rumänischen Grenze, erst über im Vergleich zur Ukraine gut asphaltierte Straßen,
dann endlich wieder über die wunderbaren überbreiten Schotterpisten.
Was für ein Gefühl, unbeschreiblich diese endlose Weite,
dann wieder kleine Täler vom honigsüßen Duft der Ölweiden erfüllt.
Zeit für eine Pause in wunderbarer Natur ...
mit einem Spaziergang am Grenzfluss Prut zu Rumänien.
Wo wir schon bei Rumänien sind, die hier wollen alle da rüber, ich fahre erstmal noch in Moldawien weiter,
weiter auf einer kleinen unwegsamen Umfahrung, die Trucker, hier noch einmal aus der Ferne zu sehen, haben beschlossen auch die Gegenfahrspur zum Anstellen am Grenzübergang zu benutzen.
Die Sonne senkt sich schon goldgelb hinab,
als ich mich dem höchsten Berg Moldawiens bis auf wenige Kilometer genähert habe.
Er versteckt sich dennoch so gut, dass ich bis zur Dämmerung brauche, um mit Hilfe ein paar einheimischer Kinder zumindest einen Wegweiser ausfindig zu machen, der mir anzeigt, dass ich nur zu Fuß weiterkomme und dafür dann rund eine Stunde unterwegs sein werde. Ich gebe auf, der Berg bleibt offen auf der Liste der moldawischen Ziele. Im Dunkeln auf dem Gipfel zu stehen ist wenig reizvoll. Ich komme im nächsten Jahr wieder, wenn ich ohnehin in Transilvanien bin. Bis hierher ist es von dort eine schöne Tagestour.
Entschädigt werde ich mit einem wunderbaren Schlafplatz oberhalb eines langgestreckten Tales,
5. Tag Moldawien bis Slowakei über Rumänien und Ukraine
... was mir morgens eine tolle Aussicht bietet.
Ich breche recht früh auf, heute liegt eine lange Strecke mit einigen Grenzübergängen vor mir.
Frühstück gibt es erst unterwegs an einem schönen Stausee im Schatten einer Ölweide. Die Sonne ist schon am frühen Morgen ziemlich erbarmungslos.
Kühe gibt es hier ab und an auch mal auf den Straßen. Allerdings sind sie, anders als in Georgien, meist angekettet.
In Fălești mache ich noch einmal Halt und lande ganz zufällig auf einem Fest zum Geburtstag der Stadt.
Ganz nebenbei ist hier heute auch noch Markttag.
Es gibt hier einfach alles.
Obst und Gemüse
Farben
Elektroinstallationsmaterial
Rossmann 😅
So lebendig wie hier kann das Leben in Moldawien eben auch sein, sonst ist ja hier eher überall Ruhe und Stille zu finden. In der Stadt treffe ich noch auf einen deutschsprechenden Moldawier, der mal eine Zeit lang in Wiesbaden gelebt hat. Das WB (Wiesbaden?) auf meinem Autokennzeichen eröffnet die Kommunikation.
Einen letzten Ort besuche ich noch, das größte wissenschaftliche Reservat in Moldawien.
Hier leben 7 Wisente in einem geschützten Territorium unter wissenschaftlicher Beobachtung.
Die Dame, die hier an der Kasse sitzt hat heute Vormittag wenig zu tun und so begleitet sie mich für die 50Lei/2,50€ die ich bezahlt habe durchs Gelände und erkärt mir alles in, wie sie meint schlechtem Englisch. Unser Gespräch schwankt zwischen der wissenschaftlichen Arbeit hier und politischen Themen, wie EU-Beitritt, Transnistrien-Konflikt und Ukraine-Krieg. Ihr Englisch ist tatsächlich sehr gut, das nimmt sie mir aber nicht ab.
Insgesamt betrachtet ist das für mich ein sehr schöner resümierender Abschluss meines Aufenthaltes hier im wunderbaren, Stille spendenden Moldawien.
Vorbeiziehend an einem dieser unzähligen Truckertreffen an Grenzübergängen freue ich mich auf ein bisschen Rumänien auf der Route in die Heimat.
Hier wirkt noch einmal alles ein wenig aus der Sowjetzeit zurückgeblieben, was wohl auch tatsächlich so ist.
Die Straße über die Grenze führt hier über einen Staudamm, in dessen Mitte die Grenze verläuft. 20Lei/1€ kostet die Überfahrt, was ich bequem per Karte bezahlen kann.
Der Damm ist gigantisch, der See noch gigantischer.
Und zack bin ich in Rumänien, als EU-Bürger hat man es hier leicht.
Von rumänischer Seite aus ist die größe des Dammes und die Ausdehnung des Sees noch einmal deutlicher wahrzunehmen.
Dann geht es recht zügig auf guten europäischen Straßen (die mich ein wenig langweilen) hinein in die viel interessanteren rumänischen Karpaten.
Zuerst leicht hügelig, durch dörfliche Gegenden ...
mit wunderschönen Kirchen aus Holz errichtet.
Dann immer höher hinauf,
bis auf 1400m, wo ich eine herrliche Aussicht auf noch teilweise mit Schnee bedeckte Gipfel habe,
die sich oft hinter tiefhängenden Wolken verstecken.
Es regnet, bei Borșa, wo die Karpaten kantiger und rauher sind als auf ukrainischer Seite.
Es dämmert schon leicht, als ich den kleinen Grenzübergang zur Ukraine bei Sighetu Marmației erreiche. Weit komme ich nicht. Der Grenzbeamte teilt mir mit, dass er mich nicht über die schmale Brücke fahren lassen kann. Sie hat eine Gewichtsbeschränkung von 2,5 t. Mein zulässiges Gesamtgewicht beträgt 200kg mehr, was mir einen kleinen Umweg von 100km zum nächsten Grenzübergang nahe dem urkrainischen Ort Неветленфолу (Neventlenfolu) beschehrt. Klingt nicht viel, außer wenn es sich vorwiegend um eine nächtliche Serpentinenfahrt handelt.
Also gut, warum nicht. So eine nächtliche Karpatentour hat auch ihren Reiz, ich bechließe es zu schaffen bis in die Slowakei.
Und tatsächlich komme ich erst einmal gut in der Ukraine an. Am ersten Checkpoint nach der Grenze, bringe ich in Erfahrung, dass es hier im Oblast Zakarpattia, wie ich vermutet habe, keine Ausgangssperre gibt. Wunderbar, ich habe also freie Fahrt für die rund 130km bis nach Uschgorod, um dort die Grenze in die Slowakei zu überqueren. An dieser EU-Außengrenze werde ich von den Ukrainern noch einmal supergenau kontrolliert. Alles muss raus aus dem Auto, wirklich alles. Die gesamte Karosserie wird cm für cm abgeklopft, ebenso alle Innenverkleidungen. Nachts gilt man offenbar immer sofort als Schmuggler. Die Mühe lohnt sch nicht, sie finden nichts, weil es nichts zu finden gibt. Die legalen Bier- und Weinflaschen muss ich trotzdem verteidigen, damit sie mir nicht abgenommen werden. Die slowakischen Kontrolldamen sind etwas gemäßigter unterwegs und auch zu einem nächtlichen Plausch übers woher-wohin bereit, während sie sich im Auto umschauen, nicht weniger intensiv aber deutlich freundlicher. Und da ist er wieder, der kleine aber feine Unterschied zwischen EU-Mitgliedsstaat und dem der es nicht ist und wohl auch nie sein wird. Gegen 2:30 Uhr morgens komme ich an meinen Schlafplatz am Stausee an, wo ich auch die erste Nacht der Tour verbracht habe.
Morgens begrüßt mich der See mit spiegelglattem Wasser, ich lasse es mir nicht nehmen hineinzuspringen, das macht munter, schon vor dem ersten Kaffee ...
... nach dem ich noch einmal einen Blick auf die ukrainischen Karpaten werfe und mich weiter auf den Weg zurück nach Deutschland mache.
Noch in der Slowakei stoppe ich an diesem Panzer, der hier wie selbstverständlich ...
... am Dargovpass gelegen, gegenüber dieses Kriegsdenkmals steht. 20.000 Männer der roten Armee sind hier im 2. Weltkrieg gefallen, gelernt hat offenbar niemand etwas daraus, was die Sinnhaftigkeit solcher Denkmäler für mich in Frage stellt. Ist schon paradox, dass mir vorgestern noch die russichen Raketen um die Ohren geflogen sind und ich heute an so einem Denkmal stehe.
Ich hatte gehofft kein weiteres mal in eine Grenzkontrolle zu geraten. Diese Hoffnung erfüllt sich weder an der slowakisch-tschechischen noch an der tschechisch-deutschen Grenze. An ersterer werde ich auf der Suche nach Zigaretten gründlich kontrolliert, an zweiterer, auf einem dafür umgebauten Autobahn-Rastplatz, gefragt ob ich Personen dabei habe. Ich antworte mit nein und, dass ich schon denke die Moldawier seien daheim recht glücklich. Der deutsche Grenzpolizist schmunzelt und lässt mich durch. Dass auch er mit einem Maschinengewehr hier herumläuft, beindruckt mich nach dieser Tour wenig bis gar nicht. Wer da war, wo ich herkomme, hat vor sowas keine Angst mehr..
Der Heimat näher komme ich erst beim Sonnenuntergang, was für mich der wohl schönste Abschluss ist den ich mir vorstellen kann.
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Ins Abendrot hineinfahren ist so ziemlich das wunderbarste was es hier draußen gibt.
Moldawien ist für mich mit nichten das ärmste Land Europas. Hier gibt es all das was Du für Geld nicht bekommen kannst, Weite, Freiheit, Ursprünglichkeit, Einsamkeit, Stille, Täler voller honigsüßem Ölweidenduft, Menschen die im Einklang mit der Natur und ihren kleinen Schafherden leben, Dankbarkeit und Frieden. Ja genau, Frieden. Ich war gerne dort und werde wiederkommen, den höchsten Berg mit 430m lasse ich mir nicht entgehen.
Odessa ist Kontrastprogramm. Bunt, lebendig, quirlig, mit grünen Parks voller Menschen, lachend spielenden Kindern, nächtlichem Lichtermeer an der Schwarzmeerküste, singenden Menschen in den Straßen ... Notstromaggregaten in den Straßen, Luftalarm, Raketenangriffen, nächtlichem Luftabwehrfeuer, Krieg an der Schwarzmeerküste.
6 Tage, 6 Länder, 4643km, mehr als 300 Liter Diesel, 13 Grenzüberquerungen, 8 Ukrainische Grenzen
Zugegeben, es war Speed-Vanning. Unterwegs sein, Erleben, nicht Erholung und trotzdem Ankommen, Verweilen, Stille finden. Wer sich leicht in die Hose macht, Checkpoints und Grenzkontrollen nichts abgewinnen kann, Soldaten, Raketenangriffe und Luftabwehrfeuer unsympatisch findet, sich von korrupten Polizisten einschüchtern lässt, der macht diese Tour besser nicht (nach) oder wählt lieber die Strecke über Ungarn und Rumänien nach Modawien, Odessa kann man ja auslassen. Eines ist sicher, man kommt irgendwie durch, lernt mit allem umzugehen und schnelle Entscheidungen zu treffen, wird flexibel im Kopf, beginnt das Ungewisse zu schätzen. Raus aus der Berechenbarkeit, rein ins Abenteuer. Ob ich es wieder tun würde? Jederzeit !!! Nichts ist wertvoller als die Erfahrung, dass es immer irgendwie weiter geht. Und es wird weitergehen ...